Der vierte Adventssonntag: Rorate

20.12.2024 – "Rorate caeli desuper, et nubes pluant iustum: aperiatur terra, et germinet Salvatorem."– "Tauet, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken regnet den Gerechten: Es öffne sich die Erde und sprosse den Heiland hervor." Mit diesen bezeichnenden und eindringlichen Worten beginnt der letzte Sonntag vor Heiligabend und Weihnachten. Die Zeit, dass der Heiland kommt, ist fast da.

Auch wenn all unserer Begegnungen nicht immer glücken, so gehören sie prägend zu unserem Leben. Der ganze Advent ist eine Vorbereitung auf die Begegnung mit unserem Erlöser als Kind im Stall von Betlehem.
Heute begegnen uns zwei Frauen, die sich auch wie wir auf die Ankunft Gottes in unserer Welt vorbereitet haben. Maria und Elisabeth, zwei unterschiedliche Frauen, die beide offen sind für Gott und von ihm mehr erwarten, als sie selber tun können. “Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter…” Das Magnificat
Da steht die schwangere Maria vor ihrer ebenfalls schwangeren Freundin und bricht in Freundenstürme aus! Maria, die unglaubliches erlebt hat, trifft Elisabeth, die einzige Frau, die sie verstehen kann. Und jetzt hat endlich die Freude ihren Platz, nicht mehr die Unsicherheit: “Wie soll das gehen?” Ja, in ihrer Offenheit für Gott werden sie überreich beschenkt und geben diese Erfahrung weiter.
Das ist fast wie Weihnachten.

Die Seligpreisung aus dem Mund Elisabets hat eine andere Nuance bekommen in der Fassung der revidierten Einheitsübersetzung 2016: Maria ist nicht „gesegnet, mehr als alle anderen Frauen“, sondern „gesegnet unter den Frauen“. Maria ist eine Frau und eingebettet in die lange Geschichte von Tochter, Mutter, Großmutter oder Tante …
Das „Hüpfen“ des kleinen Johannes im Bauch seiner schwangeren Mutter Elisabet wird meistens einfach als Kindsbewegung gedeutet. Die meisten Frauen spüren Bewegungen ihrer Ungeborenen im eigenen Leib. Das Hüpfen und die große Freude sind biblisch gesprochen die einzig angemessene Reaktion auf das Erscheinen des Gesalbten in der Endzeit. So hüpfen die Widder, die Berge und auch die Menschen (vgl. z.B. Mal 3,20; Ps 114,4.6). Johannes wird hier seiner Rolle als prophetischer Vorläufer schon im Mutterleib perfekt gerecht. Er reagiert auf die Ankunft des Messias mit Hüpfen, mit Freude.
Elisabet – erfüllt vom heiligen Geist – erweist sich als Prophetin. Sie kann das Hüpfen ihres Sohnes in ihr sehr gut deuten und für andere hörbar aussprechen. Sie weiß dadurch, dass Maria schwanger ist (obwohl das körperlich noch nicht sichtbar sein kann). Sie weiß auch, was diese Schwangerschaft bedeutet. Deshalb nennt sie Maria „Mutter meines Herrn“. Deshalb kann sie diese Seligpreisung über Maria aussprechen.
Besonders spannend ist, dass Lukas auch in den Seligpreisungen dieses Wort für „hüpfen“ verwendet. Wörtlich müsste es in Lk 6,23 heißen: Freut euch und hüpft an jenem Tag. „Jener Tag“ ist auch der „eschatologische Tag“, der Tag der Wende der Zeiten.
Textauslegung zum Evangelium am 22.12.2024 Dr. Katrin Brockmöller